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Datenschutzrecht Abmahnwelle und DS-GVO-Schadensersatz wegen der Nutzung von Google Fonts & Co.

In letzter Zeit häufen sich die Meldungen in Socialmedia, Blogs und Co., dass Webseitenbetreiber wegen der Verwendung von Google Fonts „abgemahnt“ werden. Auch wir haben einen signifikanten Anstieg solcher Fälle verzeichnen können. Was ist der Inhalt dieser „Abmahnungen“, was wird gefordert und sollte man darauf überhaupt reagieren? Aus anwaltlicher Vorsicht wird Letzteres mit „Ja!“ zu beantworten sein – wenngleich pauschale Bewertungen sich verbieten. Aber der Reihe nach.

Das Forderungsschreiben

Die genannten Schreiben sind immer ähnlich aufgebaut und fußen auf einem bestimmten Merkmal:

Die betroffene Person, die entweder bspw. Teil einer sog. „Interessengemeinschaft“ oder anwaltlich vertreten ist (oder beides) oder selbst schreibt und mit dem Rechtsanwalt droht, wäre auf die Webseite des Adressaten gestoßen und musste feststellen, dass der Webseitenbetreiber Google Fonts verwendet habe. Dieser Umstand sei dokumentiert worden. Die betroffene Person sei wegen der Verwendung von Google Fonts in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt worden, da der Webseitenbetreiber dadurch personenbezogene Daten unerlaubt übermittelt worden sind.

Selbst wenn der Aufhänger zukünftig ein andere sein wird als Google Fonts, so werden das Schema das gleiche bleiben.

Welche Ansprüche werden geltend gemacht?

Prominent wird bereits im Betreff das Wort „Abmahnung“ verwendet und es wird die Rechtsansicht vertreten, dass die betroffene Person aufgrund des Verstoßes einen Anspruch auf Unterlassung und Löschung habe. Konkrete Unterlassungserklärungen werden typischerweise dennoch nicht gefordert. Je nach Schreiben werden auch Auskunftsansprüche nach Art. 15 DS-GVO „angedroht“ oder sogar geltend gemacht. Zu guter Letzt wird auf die Entscheidung des LG München I, Urteil vom 20. Januar 2022 (3 O 17493/20) verwiesen und Schadensersatzansprüche in den Raum gestellt.

Kommt es zukünftig zu solchen plakativen Entscheidungen zu ähnlich häufig eingesetzten und leicht feststellbaren Tools, wird dasselbe Vorgehen auf diese Konstellationen angewendet werden.

Die Forderung

Die Schreiben haben unter dem Strich aber eines gemeinsam! Es wird Vergleichsbereitschaft signalisiert und „nur“ eine einmalige Vergleichszahlung gefordert, die bisher zwischen 100,00 € und 170,00 € rangiert und meist innerhalb weniger Tage auf ein benanntes Konto eingezahlt werden soll. Regelmäßig werden dann noch die Rechtsanwaltskosten ersetzt verlangt.

Was ist der Hintergrund der „Abmahnwelle“?

Hintergrund der Abmahnwelle ist die bereits genannte Entscheidung. Das Landgericht München I hat mit Urteil vom 20. Januar 2022, 3 O 17493/20 die dort beklagte Webseitenbetreiberin verurteilt, an den Kläger 100,00 € zu zahlen und dieser „neuen“ Abmahnmasche den Weg bereitet.

In dem Fall entschied das Gericht, dass die Beklagte das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung verletzt habe, indem die Beklagte die dynamische IP-Adresse an Google weitergeleitet habe, als der Kläger die Webseite der Beklagten aufrief. Denn die automatische Weitergabe der IP-Adresse durch die Beklagte an Google sei ein nach dem Datenschutzrecht unzulässiger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers gewesen, da der Kläger unstreitig in diesem Eingriff nicht gemäß § 13 Abs. 2 TMG a.F., Art. 6 Abs. 1 a) DSGVO eingewilligt hatte.

Der ausgeurteilte Schadensersatz in Höhe von 100,00 € – so das Gericht wörtlich – „ist im Hinblick auf die inhaltliche Schwere und Dauer der Rechtsverletzung angemessen“ gewesen. Hier kam der konkrete Sachverhalt des Rechtsstreits zum Tragen.

Weitere Entscheidungen zu anderen, aber ebenso allgemeinen und häufig auftretenden Konstellationen wird es in der Zukunft unweigerlich geben. Solche Wellen wird es also immer wieder geben …

Sind die Forderungen dann nicht gerechtfertigt?

Wie immer, kommt es drauf an!

Es muss unterschieden werden, ob der Verstoß, und damit eventuell ein Anspruch dem Grunde nach vorliegt und ob der Anspruch ausreichend begründet ist.

Allein der Umstand, dass derselbe Verstoß mehrfach bei verschiedenen Verantwortlichen geltend gemacht werden, macht ihn nicht zwingend unberechtigt. Häufig sind es aber andere Gründe, die eine Abwehr der Forderung oder eine Begrenzung des Risikos möglich macht.

Anders als die Forderungsschreiben lassen sich die Abwehrschreiben nicht pauschal und massentauglich erstellen. Die sorgfältige anwaltliche Beratung muss den Einzelfall berücksichtigen. Gerade der Einzelfall bietet aber Aspekte, die eine Abwehr ermöglichen.

Auch die Pauschalität der „Abmahnungen“ lassen nicht selten einen Strauß an tauglichen Abwehrmöglichen zu, wobei auch zu beachten gilt, dass die Schreiben mit der Zeit weiterentwickelt und weiteren Ansprüchen bzw. Gründen ausgeschmückt werden. Nichtsdestotrotz – oder gerade deswegen – darf man nicht die Augen davor verschließen, dass trotz der eventuellen Masse die „Abmahnungen“ nicht (alle) per se unbegründet sind.

Können diese pauschalen „Abmahnungen“ dann ignoriert werden?

Ignoriert werden sollten diese Schreiben unter gar keinen Umständen. Abhilfe schafft in den meisten Fällen ein anwaltliches Gegenschreiben. Jedenfalls muss geprüft werden, wie mit den behaupteten Rechtsverletzungen und dem Verlangen umgegangen wird.

Mögen die behaupteten Forderungen (zunächst) nicht vorliegen, kann ein Ignorieren solcher Schreiben – bspw., wenn Betroffenenrechte nach der DS-GVO geltend gemacht werden – der Ansatz für ein neues Forderungsschreiben sein. Solche Stolperfallen gibt es zu genüge und es gilt sie zu vermeiden. Gerade der zuweilen geltend gemachte (und oft unliebsame) Auskunftsanspruch nach Art. 15 DS-GVO muss dabei ins Visier gefasst werden. Auf einen solchen Anspruch muss unter Berücksichtigung der konkreten Situation reagiert werden.


    Ein Fachbeitrag aus dem DIRO-Netzwerk

    Beitrag veröffentlicht am
    9. Oktober 2022

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