Verkehrsrecht LG Berlin: Haftung der E-Scooter-Fahrerin nach Unfall – Versicherung muss zahlen
Das Landgericht Berlin ( Urteil vom 22.10.2024 – 22 S 6/23 ) hat entschieden, dass die Haftpflichtversicherung einer E-Scooter-Vermieterin Schadensersatz in Höhe von 2.341,50 € sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zahlen muss.
Was war passiert?
Eine Fahrerin nutzte einen gemieteten E-Scooter und fuhr damit verbotswidrig auf dem Bürgersteig. Ohne die notwendige Vorsicht zu beachten, fuhr sie plötzlich auf die Fahrbahn und stieß gegen einen dort stehenden BMW. Der Pkw wurde beschädigt.
Die Versicherung der E-Scooter-Vermieterin verweigerte zunächst die Zahlung und bestritt den Unfallhergang pauschal mit „Nichtwissen“.
Die Entscheidung des Gerichts
Das Landgericht Berlin stellte klar:
- Ein bloßes Bestreiten des Unfallhergangs mit Nichtwissen reicht nicht. Der Versicherer ist verpflichtet, sich bei seiner Versicherungsnehmerin (der Vermieterin) nach den Mieterdaten zu erkundigen und die Fahrerin zu befragen (§ 138 Abs. 4 ZPO; vgl. BGH VI ZR 337/18).
- Da die E-Scooter-Fahrerin grob verkehrswidrig handelte, haftet die Versicherung in voller Höhe.
- Der Kläger konnte seinen Anspruch direkt gegen die Haftpflichtversicherung geltend machen (§ 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG). Warum keine Mithaftung des Pkw?
Grundsätzlich haftet auch der Halter eines Pkw für die sogenannte „Betriebsgefahr“ seines Fahrzeugs. Diese tritt hier jedoch vollständig zurück , weil das Verhalten der E-Scooter-Fahrerin grob schuldhaft war.
Das Gericht verwies insbesondere auf:
-> § 11 eKFV: E-Scooter dürfen innerorts nur auf Radwegen oder, wenn keine vorhanden sind, auf der Fahrbahn fahren – nicht auf dem Bürgersteig.
-> § 10 StVO: Wer vom Bürgersteig oder einem anderen Straßenteil auf die Fahrbahn fährt, muss besondere Vorsicht walten lassen und darf niemanden gefährden.
Beide Vorschriften sind Schutzgesetze i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB.
Fazit für die Praxis
- E-Scooter-Fahrer tragen Verantwortung: Wer gegen die Vorschriften der eKFV und StVO verstößt, riskiert eine volle Haftung.
- Versicherer können sich nicht einfach zurücklehnen: Ein einfaches Bestreiten mit „Nichtwissen“ ist unzulässig. Sie müssen aktiv Nachforschungen zum Unfallhergang anstellen.
- Für Geschädigte bedeutet das: Sie können sich direkt an die Haftpflichtversicherung wenden und ihren Anspruch auch ohne Kenntnis der Fahrerin durchsetzen.
Tipps für Betroffene: Was tun nach einem Unfall mit E-Scooter?
1. Unfall dokumentieren: Fotos vom Unfallort, Fahrzeugen und Schäden machen. Zeugen notieren.
2. Polizei einschalten: Gerade bei E-Scootern ist oft unklar, wer gefahren ist. Ein Polizeibericht kann später entscheidend sein.
3. Rechtsanwalt einschalten: Da es um komplexe Rechtsfragen (z.B. § 823 BGB, § 11 eKFV, § 10 StVO, § 115 VVG) geht, empfiehlt sich frühzeitig anwaltliche Unterstützung.
