Bau- und Architektenrecht Bauvertrag nach VOB/B oder GBG?

Stellen Sie sich vor, Sie möchten Ihr Traumhaus bauen – sei es als Privatperson für die Familie oder als Unternehmen für ein größeres Bauprojekt. Sie haben ein Bauunternehmen gefunden, die Pläne sind gezeichnet, die Finanzierung steht. Doch bevor der erste Spatenstich erfolgt, steht eine entscheidende Frage im Raum: Nach welchen Regeln soll der Bauvertrag gestaltet werden? In Deutschland gibt es zwei zentrale Möglichkeiten: den Bauvertrag nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) und den Bauvertrag nach der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Teil B (VOB/B). Beide Vertragsarten regeln die Rechte und Pflichten von Bauherren und Bauunternehmen, unterscheiden sich aber in wichtigen Punkten. Doch welche Vertragsform ist für Sie die richtige?
Die Wahl zwischen einem Bauvertrag nach VOB/B und nach BGB ist keine bloße Formsache, sondern hat erhebliche Auswirkungen auf Rechte, Pflichten und Risiken beider Vertragsparteien. Die optimale Vertragsform hängt maßgeblich von den individuellen Bedürfnissen und der Erfahrung der Beteiligten ab.
I. Gemeinsamkeiten der Bauverträge
Unabhängig davon, ob Sie sich für einen Vertrag nach VOB/B oder nach BGB entscheiden, gilt:
• Beide Vertragsarten regeln die Herstellung eines Bauwerks oder einer Bauleistung gegen Entgelt.
• Es handelt sich jeweils um sogenannte Werkverträge, bei denen der Unternehmer einen bestimmten Erfolg – nämlich die mangelfreie Erstellung des Bauwerks – schuldet.
• In beiden Fällen sind die wesentlichen Vertragspunkte wie Leistungsbeschreibung, Vergütung, Fristen und Abnahme zu regeln.
• Die Abnahme des Bauwerks ist in beiden Vertragsarten ein zentrales Ereignis: Erst mit der Abnahme beginnt die Verjährungsfrist für Mängelansprüche.
II. Unterschiede zwischen VOB/B und BGB
a) Rechtsnatur und Anwendbarkeit
BGB-Bauvertrag: Das BGB gilt immer dann, wenn keine besonderen Regelungen vereinbart wurden. Seit 2018 gibt es spezielle Vorschriften für Bauverträge (§§ 650a ff. BGB), die insbesondere den Verbraucherschutz stärken. Für Verbraucherbauverträge gelten zusätzliche Schutzvorschriften, etwa ein Widerrufsrecht und besondere Informationspflichten.
VOB/B-Bauvertrag: Die VOB/B ist kein Gesetz, sondern ein von Fachkreisen entwickeltes Regelwerk. Damit entspricht die VOB/B der Vereinbarung allgemeiner Geschäftsbedingungen. Sie muss ausdrücklich und wirksam in den Vertrag einbezogen werden. Die VOB/B ist vor allem im professionellen Bauwesen verbreitet. Sie bietet ein differenziertes, auf die Baupraxis zugeschnittenes Regelwerk, das viele typische Problemfälle abdeckt.
b) Vertragsabschluss und Einbeziehung
BGB: Gilt automatisch, wenn nichts anderes vereinbart ist. Die gesetzlichen Regelungen sind zwingend, soweit sie dem Schutz des Verbrauchers dienen.
VOB/B: Muss ausdrücklich vereinbart werden. Bei Verbrauchern ist eine wirksame Einbeziehung nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Wird die VOB/B nicht wirksam in den Vertrag einbezogen, so gelten die allgemeinen Regelungen des BGB. Viele Klauseln der VOB/B unterliegen bei Verbraucherverträgen einer strengen AGB-Kontrolle und können unwirksam sein, wenn sie den Verbraucher unangemessen benachteiligen. Eine genaue Prüfung der Klauseln ist im Einzelfall mithin unerlässlich.
c) Abnahme und Mängelrechte
BGB: Die Abnahme ist ein zentrales Ereignis. Erst mit der Abnahme beginnt die Verjährungsfrist für Mängelansprüche (in der Regel 5 Jahre). Der Bauherr kann die Abnahme bei wesentlichen Mängeln verweigern. Die Abnahme kann ausdrücklich, stillschweigend oder durch schlüssiges Verhalten erfolgen.
VOB/B: Die Abnahme ist ebenfalls entscheidend, aber die Verjährungsfrist für Mängel beträgt unter Umständen nur 4 Jahre. Die VOB/B sieht zudem spezielle Regelungen für die förmliche Abnahme und Teilabnahmen vor. Die förmliche Abnahme ist in der Baupraxis üblich und bietet beiden Seiten Rechtssicherheit, da alle erkennbaren Mängel in einem Protokoll festgehalten werden.
d) Kündigungsmöglichkeiten
BGB: Der Bauherr kann jederzeit kündigen, muss dann aber die vereinbarte Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen zahlen. Die Kündigung aus wichtigem Grund ist ebenfalls möglich.
VOB/B: Die Kündigungsmöglichkeiten sind ähnlich, aber die VOB/B enthält detailliertere Regelungen, etwa zur Teilkündigung und zur Abrechnung. Die VOB/B regelt auch die Kündigung aus wichtigem Grund und die Folgen für die Vergütung.
e) Vergütung und Nachträge
BGB: Nachträge (z. B. bei Leistungsänderungen) müssen grundsätzlich einvernehmlich vereinbart werden. Ohne Einigung besteht kein Anspruch auf Mehrvergütung.
VOB/B: Die VOB/B regelt Nachträge sehr detailliert. Der Auftragnehmer hat bei Anordnung zusätzlicher Leistungen durch den Auftraggeber einen Anspruch auf Anpassung der Vergütung. Auch Mengenänderungen und geänderte Ausführungen sind geregelt.
III. Vor- und Nachteile für Unternehmen
Vorteile der VOB/B für Unternehmen
• Erprobtes Regelwerk: Die VOB/B ist in der Baupraxis etabliert und bietet klare, detaillierte Regelungen für viele typische Bauprobleme.
• Flexibilität: Die Regelungen zu Nachträgen und Leistungsänderungen sind praxistauglich und ermöglichen eine flexible Anpassung des Vertrags.
• Kürzere Verjährung: Die 4-jährige Verjährungsfrist für Mängelansprüche ist für Unternehmen vorteilhaft.
• Förmliche Abnahme: Die Möglichkeit, eine förmliche Abnahme zu verlangen, schafft Rechtssicherheit.
Nachteile der VOB/B für Unternehmen
• Einbeziehung bei Verbrauchern schwierig: Bei Verträgen mit Privatpersonen ist die wirksame Einbeziehung der VOB/B oft problematisch, da viele Klauseln als Allgemeine Geschäftsbedingungen einer strengen Kontrolle unterliegen.
• Komplexität: Die VOB/B ist umfangreich und setzt Erfahrung im Umgang mit Bauverträgen voraus. Dies gilt insbesondere bei fristgebundenen Einwendungen.
Vorteile des BGB für Unternehmen
• Rechtssicherheit: Die Regelungen sind gesetzlich festgelegt und daher rechtssicher.
• Weniger Streit um Einbeziehung: Es gibt keine Probleme mit der Einbeziehung wie bei der VOB/B.
Nachteile des BGB für Unternehmen
• Weniger Flexibilität: Nachträge und Leistungsänderungen sind schwieriger durchzusetzen.
• Längere Verjährung: Die 5-jährige Verjährungsfrist für Mängelansprüche kann ein Nachteil sein.
IV. Vor- und Nachteile für Privatpersonen
Vorteile der VOB/B für Privatpersonen
• Detaillierte Regelungen: Die VOB/B bietet klare Vorgaben, etwa zur Abnahme und zu Nachträgen.
• Transparenz bei Nachträgen: Änderungen und Zusatzleistungen sind geregelt.
Nachteile der VOB/B für Privatpersonen
• Schwierige Einbeziehung: Viele VOB/B-Klauseln sind für Verbraucher unwirksam, wenn sie nicht individuell ausgehandelt wurden. Dies führt zu Rechtsunsicherheit, da nicht ohne weiteres erkennbar ist, welche Regelungen tatsächlich wirksam einbezogen wurden und welche nicht.
• Kürzere Verjährung: Die 4-jährige Verjährungsfrist kann nachteilig sein, wenn Mängel erst später auftreten.
• Komplexität: Die VOB/B ist für Laien schwer verständlich und kann zu Unsicherheiten führen.
Vorteile des BGB für Privatpersonen
• Starker Verbraucherschutz: Das BGB enthält zahlreiche Schutzvorschriften, z. B. das Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen.
• Längere Verjährung: 5 Jahre Mängelhaftung bieten mehr Sicherheit.
• Einfache Anwendung: Die gesetzlichen Regelungen sind für Laien leichter nachvollziehbar.
• Klarheit bei der Abnahme: Die Abnahme nach BGB ist weniger formalistisch und für Privatpersonen leichter zu handhaben.
Nachteile des BGB für Privatpersonen
• Weniger Flexibilität: Änderungen während der Bauphase sind schwieriger zu regeln.
• Weniger detaillierte Regelungen: Das BGB ist weniger spezifisch auf Bauprojekte zugeschnitten.
V. Praktische Hinweise zur Vertragsgestaltung
Für Unternehmen:
• Prüfen Sie, ob die VOB/B wirksam einbezogen werden kann und ob Ihre Vertragspartner (insbesondere Privatpersonen) die Regelungen verstehen.
• Achten Sie auf eine klare und vollständige Leistungsbeschreibung, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.
• Berücksichtigen Sie, dass die VOB/B bei Verbrauchern einer strengen AGB-Kontrolle unterliegt und diesen auch in der geltenden Fassung zur Verfügung zu stellen ist.
Für Privatpersonen:
• Lassen Sie sich die Vertragsbedingungen genau erklären und achten Sie auf eine klare Leistungsbeschreibung.
• Prüfen Sie, ob die VOB/B tatsächlich wirksam einbezogen wurde. Im Zweifel gilt das BGB.
• Nutzen Sie die Schutzvorschriften des BGB, insbesondere das Widerrufsrecht und die längere Mängelhaftung.
Für beide Seiten gilt:
• Die Abnahme des Bauwerks ist ein zentrales Ereignis. Dokumentieren Sie alle Mängel sorgfältig in einem Abnahmeprotokoll.
• Klären Sie, wie mit Nachträgen und Leistungsänderungen umgegangen werden soll.
• Vereinbaren Sie klare Fristen und Regelungen für die Fertigstellung und die Zahlung.
VI. Fazit
Die Entscheidung zwischen einem Bauvertrag nach VOB/B und nach BGB sollte nicht leichtfertig getroffen werden. Für Unternehmen mit Erfahrung im Bauwesen und bei größeren Bauprojekten bietet die VOB/B viele Vorteile, insbesondere durch ihre praxiserprobten und detaillierten Regelungen. Privatpersonen und Bauherren, die erstmals bauen, sind mit dem BGB-Bauvertrag meist besser beraten, da dieser mehr Verbraucherschutz bietet und rechtlich weniger Fallstricke birgt.
Am Ende gilt:
Ein gut durchdachter und klar formulierter Bauvertrag ist die beste Grundlage für ein erfolgreiches Bauprojekt – unabhängig davon, ob er nach VOB/B oder BGB gestaltet ist.