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Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28.01.2025 – VI ZR 300/24 Fiktive Schadensabrechnung trotz niedrigerer tatsächlicher Reparaturkosten?

Nach einem Verkehrsunfall ließ Geschädigter B seinen Wagen während eines Urlaubs in der Türkei reparieren. An die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers übersandte er das Gutachten eines Kfz-Sachverständigen, das die Reparaturkosten auf rund 3.000 Euro bezifferte. Den tatsächlich gezahlten Betrag legte B nicht offen – und genau das wurde ihm zunächst zum Verhängnis.

Erste Instanz: Klageabweisung

Das Amtsgericht wies die Klage ab. Begründung: Ohne Vorlage der ausländischen Reparaturrechnung könne B keine Ansprüche geltend machen. Es genüge nicht, sich allein auf das Schadensgutachten zu stützen.

Berufung: Landgericht widerspricht

Das Landgericht sah das anders. Würde man den Nachweis der tatsächlich gezahlten Reparaturkosten verlangen, handele es sich nicht mehr um eine fiktive Schadensabrechnung. Diese soll dem Geschädigten gerade ermöglichen, seinen Schaden auf Grundlage eines Sachverständigengutachtens zu beziffern – unabhängig davon, ob und wie er den Wagen reparieren lässt. Das Gericht sprach B – unter Berücksichtigung einer Haftungsquote von 40 Prozent – rund 1.130 Euro zu.

Endgültige Entscheidung: BGH bestätigt den Grundsatz

Die Haftpflichtversicherung wollte dieses Ergebnis nicht hinnehmen und legte Revision ein. Der Bundesgerichtshof stellte jedoch unmissverständlich klar:

  • Bei einer fiktiven Abrechnung (§ 249 Abs. 2 BGB) kommt es allein auf die im Sachverständigengutachten kalkulierten Kosten für eine fachgerechte Reparatur an.
  • ngaben zu den tatsächlich entstandenen Reparaturkosten sind nicht erforderlich – auch nicht dann, wenn der Geschädigte das Fahrzeug tatsächlich reparieren ließ.
  • Der Ort oder die Umstände der tatsächlichen Reparatur – hier also in der Türkei – sind irrelevant.

Damit wurde das Urteil des Landgerichts bestätigt und die Versicherung zur Zahlung verpflichtet.

Hintergrund: Fiktive vs. konkrete Schadensabrechnung

Im Schadensrecht haben Unfallgeschädigte grundsätzlich ein Wahlrecht:

  • Konkrete Abrechnung: Der Geschädigte lässt den Wagen reparieren und verlangt die tatsächlich entstandenen Kosten. Dafür muss er entsprechende Rechnungen vorlegen.
  • Fiktive Abrechnung: Der Geschädigte macht seinen Anspruch auf Grundlage eines Gutachtens geltend – unabhängig davon, ob er repariert oder nicht. Die Versicherung schuldet dann den „erforderlichen“ Geldbetrag, nicht die tatsächlich gezahlte Summe.

Diese Rechtsprechung soll Geschädigten Flexibilität verschaffen und ihnen ersparen, in Vorleistung treten zu müssen oder Rechnungen offenzulegen.

Praxishinweis

Für Geschädigte bedeutet das Urteil: Wer sich für die fiktive Schadensabrechnung entscheidet, muss keine Reparaturrechnung vorlegen – auch wenn er das Fahrzeug tatsächlich reparieren lässt. Maßgeblich ist allein das Sachverständigengutachten.

Für Versicherer ist klargestellt: Der Versuch, über die Hintertür die Offenlegung tatsächlicher Reparaturkosten zu verlangen, widerspricht dem Wesen der fiktiven Abrechnung.

Quelle: Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28.01.2025 – VI ZR 300/24


Ein Fachbeitrag aus dem DIRO-Netzwerk

Beitrag veröffentlicht am
28. August 2025

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