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Strafrecht und Bußgeldrecht Haftungsrisiken bei Umweltdelikten in der Unternehmenspraxis

Angesichts der aktuellen Klimadebatte rücken Umweltverstöße vermehrt in das gesellschaftliche Bewusstsein. Nach Angaben der Europäischen Kommission steht die Umweltkriminalität weltweit an vierter Stelle der kriminellen Aktivitäten und nimmt jährlich um fünf bis sieben Prozent zu. Die Kommission hat daher kürzlich einen Vorschlag für eine neue Richtlinie über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt angenommen, mit dem sie u. a. eine Verpflichtung aus dem europäischen „Green Deal“ erfüllen möchte.

Auch Unternehmen werden sich in Zukunft verstärkt mit dem Thema Umweltstrafrecht befassen müssen: Im betrieblichen Alltag lauern unweigerlich Umweltgefahren, die sich etwa bei Betriebsstörungen (ungewollt) realisieren können. Das kann bereits nach heute geltender Rechtslage zu einem Strafverfahren gegen Mitarbeiter und Unternehmensleitung – oftmals auch mit Durchsuchungen – sowie zu empfindlichen Geldbußen gegen das Unternehmen selbst führen. Sollte der neue EU-Richtlinienvorschlag tatsächlich vom Europäischen Parlament und vom Europäischen Rat verabschiedet werden, ist für Unternehmen und deren Mitarbeiter mit weiteren Verschärfungen zu rechnen.

Der Beitrag beleuchtet vor diesem Hintergrund den neuen EU-Richtlinienvorschlag und gibt einen Überblick über strafrechtliche Haftungsrisiken bei Verstößen gegen Umweltdelikte in Unternehmen nach der geltenden Rechtslage.

Der neue EU-Richtlinienvorschlag zur Bekämpfung der Umweltkriminalität

Am 15. Dezember 2021 hat die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine neue Richtlinie der EU zur Bekämpfung der Umweltkriminalität angenommen. Mit ihr soll die bisherige Richtlinie 2008/99/EG über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt ersetzt werden, deren Überprüfung ergeben habe, dass die Zahl der erfolgreich verfolgten Umweltstraftaten zu gering sei und die bestehenden Sanktionen unzureichend wären, um abschreckende Wirkung zu zeigen. Der neue Vorschlag zielt daher darauf ab, den (strafrechtlichen) Umweltschutz wirksamer zu gestalten.

So sollen die Mitgliedsstaaten verpflichtet werden, neue Straftatbestände, wie unter anderem illegaler Handel mit Holz, illegale Wasserentnahme oder Verstöße im Zusammenhang mit dem Umgang mit fluorierten Treibhausgasen, die zum Klimawandel beitragen, zu schaffen. Ferner sollen neue Regeln für Geld- und Gefängnisstrafen in abschreckender Höhe sowie neue zusätzliche Arten von Sanktionen, etwa der Ausschluss vom Zugang zu öffentlichen Mitteln und Vergabeverfahren, der Entzug behördlicher Genehmigungen oder die Wiederherstellung der Natur, implementiert werden. Zudem müsse die Strafverfolgung von Umweltdelikten durch die zuständigen Behörden wirksamer gestaltet werden.

Dass Umweltverstöße künftig vermehrt in den Fokus der Strafverfolgungsbehörden geraten werden, ist auch angesichts der vorherrschenden Klimadebatte zu erwarten.

Geltendes Umweltstrafrecht in Deutschland

Dabei ist keineswegs erst die Realisierung des vorgestellten EU-Richtlinienentwurfs abzuwarten, vielmehr hält das deutsche Recht bereits heute eine Fülle von Vorschriften im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht bereit, die dem Umweltschutz dienen und die für viele Unternehmen relevant werden können: Zu nennen sind etwa die Gewässerverunreinigung (§ 324 StGB), Bodenverunreinigung (§ 324a StGB), Luftverunreinigung (§ 325 StGB), unerlaubter Umgang mit Abfällen (§ 326 StGB) oder das unerlaubte Betreiben von Anlagen (§ 327 StGB), aber auch in zahlreichen Nebengesetzen sind relevante Straftatbestände vorzufinden (etwa §§ 27, 27a ChemG; §§ 71,71a BNatSchG; § 69 PflSchG).

Gerade in Unternehmen kann es im Rahmen des täglichen Geschäftsbetriebs zu Verstößen gegen Vorschriften des Umweltstrafrechts kommen. Solche Verstöße müssen nicht einmal vorsätzlich, also mit Wissen und Wollen der handelnden Person, begangen worden sein. Viele der Strafvorschriften stellen bereits die fahrlässige Begehungsweise unter Strafe. Der vermeintliche „Betriebsunfall“ kann daher schnell zu einem veritablen Strafrechtsproblem für Mitarbeiter, Führungskräfte und das Unternehmen selbst werden. Nicht selten kommt es infolge des Verdachts einer Umweltstraftat auch zu Durchsuchungen im Unternehmen.

Strafrechtliche Haftung der Unternehmensleitung im Umweltstrafrecht

Im Betriebsalltag werden Umweltdelikte oftmals nicht von Angehörigen der Unternehmensleitung, sondern von Mitarbeitern unmittelbar verwirklicht. Die Frage, inwieweit Vorgesetzte, also insbesondere Geschäftsführer, Vorstände und sonstiges Führungspersonal, eine strafrechtliche Verantwortung für solche „aus dem Betrieb heraus“ begangenen Umweltstraftaten trifft, wird in Rechtsprechung und Literatur kontrovers diskutiert und kann nicht pauschal beantwortet werden. Angesichts teils komplexer arbeitsteiliger Organisationstrukturen, unterschiedlicher Zuständigkeitsbereiche und Hierarchiestufen kann es hier zu Zurechnungsschwierigkeiten kommen. Das führt dazu, dass eine strafrechtliche Verantwortlichkeit nicht immer leicht nachgewiesen werden kann.

Gleichwohl vertritt die Rechtsprechung die so genannte Geschäftsherrenhaftung: Danach ergibt sich bereits aus der Stellung als Betriebsinhaber oder Vorgesetzter eine Garantenpflicht (§ 13 Abs. 1 StGB) zur Verhinderung von Straftaten von Mitarbeitern bezüglich betriebsbezogener Straftaten. Damit sind solche Straftaten gemeint, die einen inneren Zusammenhang zu der betrieblichen Tätigkeit aufweisen, was bei Umweltdelikten immer dann der Fall ist, wenn Umweltgefahren im Betrieb und nicht aufgrund eines privaten Verhaltens entstehen. Im Grundsatz ist es also durchaus möglich, dass die Unternehmensleitung für Umweltdelikte, die im Geschäftsbetrieb von Dritten begangen wurden, strafrechtlich einstehen muss. Erst recht gilt dies natürlich, wenn die Unternehmensleitung Anweisungen erteilt, die Verstöße zum Gegenstand haben.

Sanktionsmöglichkeiten für Umweltstraftaten

Regelverstöße im Unternehmen können unterschiedliche Rechtsfolgen für die jeweiligen Personen und das Unternehmen nach sich ziehen, insoweit hat das deutsche Recht ein nicht unerhebliches Sanktionsinstrumentarium vorzuweisen: So sieht das Gesetz beispielsweise im Falle einer vorsätzlichen Gewässer-, Boden- oder Luftverunreinigung eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe vor; im Falle der fahrlässigen Begehung beträgt das Strafmaß bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe. Liegt ein besonders schwerer Fall einer Umweltstraftat vor (§ 330 StGB), kommt gar eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren in Betracht.

Wird aus einem Unternehmen heraus eine Umweltstraftat begangen, kann auch gegen dieses selbst unter den Voraussetzungen des § 30 OWiG eine Geldbuße festgesetzt werden. Sie ist unabhängig von der Sanktionierung des individuellen Täters und kann auch dann verhängt werden, wenn ein Täter zwar nicht als Person feststellbar, aber dennoch sicher ist, dass eine der von § 30 OWiG erfassten Personen die Straftat begangen hat. Lässt sich eine Straftat überhaupt nicht nachweisen, kann aber dem Betriebs- oder Unternehmensinhaber eine Aufsichtspflichtverletzung nach § 130 OWiG vorgeworfen werden, kommt eine Geldbuße nach § 30 OWiG ebenfalls in Betracht.

Darüber hinaus wird bereits jede rechtskräftige Bußgeldentscheidung, mit der eine Geldbuße von mehr als 200 € verhängt wird, in das Gewerbezentralregister eingetragen, was zur Folge haben kann, dass das betroffene Unternehmen zum Beispiel von der öffentlichen Auftragsvergabe ausgeschlossen ist.

Schließlich können im Wege des strafrechtlichen Instituts der Einziehung (§§ 73 ff. StGB) alle Vorteile, die durch die Tat erlangt wurden, wie zum Beispiel ersparte Entsorgungskosten im Falle eines unerlaubten Umgangs mit Abfällen, eingezogen werden.

Etablierung eines umweltstrafrechtlichen Compliance-Systems

Die angesprochenen Risiken können durch die Entwicklung und Installation eines umweltstrafrechtlichen Compliance-Management-Systems zur Verhinderung und Aufdeckung von Straftaten reduziert werden. Teilweise sehen Fachgesetze auch die Beauftragung eines Betriebsbeauftragten (etwa für Gewässerschutz, Immissionsschutz, Störfallschutz etc.) vor. Er soll durch Kontrolle gefährlicher Anlagen und Information der Betriebsleitung bei der Vermeidung von Umweltschäden durch Betriebsstörungen helfen. Sollte es trotzdem zu einem Verstoß kommen, wirkt sich die Existenz eines wirksamen Compliance-Management-Systems, mit dem Rechtsverstöße unter Anerkennung und Einhaltung der Rechtsnormen ernsthaft vermieden werden sollen, sanktionsmindernd aus.

Fazit und Ausblick

Alles in allem zeigt sich also, dass das geltende Recht bereits heute einschneidende Sanktionsmöglichkeiten für Unternehmen sowie deren Leitungspersonen und Mitarbeiter vorsieht. Die Einschätzung der EU-Kommission, dass Sanktionen im Umweltstrafrecht zu geringfügig seien, kann angesichts dieser Rechtslage für Deutschland jedenfalls nicht geteilt werden. Gleichwohl ist – nicht zuletzt in Anbetracht der aktuellen Klimadebatte – in absehbarer Zukunft mit einer weiteren Verschärfung zu rechnen. Unternehmen sind daher gut beraten, ein wirksames umweltstrafrechtliches Compliance-System zu implementieren.


    Ein Fachbeitrag aus dem DIRO-Netzwerk

    Beitrag veröffentlicht am
    7. Juni 2022

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