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Verkehrsrecht Zwischen Opferschutz und Willkürlichkeitsgrenze

Jeder Versicherungsnehmer einer Kraftfahrthaftpflichtversicherung hat mit dieser eine sogenannte Regulierungsvollmacht vereinbart. Regulierungsvollmacht bedeutet im Wesentlichen, dass die Versicherung im Namen des eigenen Versicherungsnehmers nach eigenem Ermessen die Ansprüche Dritter erfüllen oder diese auch abwehren kann. Die Versicherung ist somit berechtigt, die Ansprüche auch ohne Zustimmung des Versicherungsnehmers zu befriedigen. Diese Regelung dient vor allem dem Opferschutz. Der jeweilige Versicherungsnehmer soll nicht berechtigt sein, die berechtigten Ansprüche eines Geschädigten durch das Versagen seiner Zustimmung zu vereiteln. Dies führt gelegentlich zu Unmut des Versicherungsnehmers. Es gibt Fälle, bei denen der Versicherungsnehmer davon ausgeht, der Geschädigte wolle sich auf Kosten der Versicherung und auf Kosten des Versicherungsnehmers zu Unrecht bereichern.

Ein Beispiel:

Ein Verkehrsteilnehmer wird beschuldigt, sich von einem Unfallort unerlaubt entfernt zu haben. Er erhält von der Polizei ein Schreiben, dass gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen des Tatvorwurfs des unerlaubten Entfernens vom Unfallort eingeleitet worden sei. Der Versicherungsnehmer fühlt sich zu Unrecht beschuldigt. Er bestreitet, dass es überhaupt zu einem Unfall gekommen sei. Einen Schaden habe er zu keinem Zeitpunkt verursacht. Der vermeintlich Geschädigte meldet den Schaden bei der Kfz-Versicherung des Verkehrsteilnehmers und fordert Schadensersatz. Die Kfz-Versicherung reguliert nach „Prüfung“ den Schaden. Der Versicherungsnehmer hat sein Einverständnis für die Zahlung von Schadensersatz an den vermeintlich Geschädigten nicht erteilt.

Durfte die Kfz-Versicherung die Auszahlung vornehmen?

Das Amtsgericht Nürnberg bringt es in den Entscheidungsgründen im Urteil vom 27.04.2022, Az. 35 C 5704/21 auf den Punkt:

Der Kfz-Versicherer darf auf Grund der Regulierungsvollmacht die Schadensregulierung nach eigenem Ermessen unabhängig von den Weisungen des Versicherungsnehmers vornehmen. Eine Ermessensüberschreitung liegt erst dann vor, wenn der Kfz-Versicherer eine völlig unsachgemäße Schadenregulierung vornimmt, indem er die vom Unfallgegner geltend gemachten Ansprüche reguliert, obwohl sie nach den gegebenen Beurteilungsgrundlagen eindeutig und leicht nachweisbar unbegründet sind. Wenn der Kfz-Versicherer reguliert, erfolgt meistens eine Höherstufung des Versicherungsnehmers in der Schadenfreiheitsklasse. Möchte sich der Versicherungsnehmer hiergegen wehren, muss also unter anderem geprüft werden, ob die Versicherung das Ermessen richtig ausgeübt hat oder ob es sich um eine willkürliche Entscheidung gehandelt hat.

Für unser Beispiel heißt dies: Hat der Versicherer beispielsweise geprüft, ob Zeugen das Unfallereignis beobachtet haben? Wurde die Ermittlungsakte eingesehen? Gibt es korrespondierende Schäden an den Fahrzeugen? Wurde eine Fahrzeuggegenüberstellung veranlasst?

Wenn eine Prüfung erfolgt ist und die Kfz-Versicherung ihrer Prüfungsverpflichtung nach Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens nachgekommen ist, so darf die Versicherung die Schadensersatzzahlung vornehmen, unabhängig davon, ob der Versicherungsnehmer hiermit einverstanden ist oder nicht.

Theoretisch ist es also möglich, dass eine Regulierung ohne Unfall stattfinden kann und der Versicherungsnehmer die Höherstufung hinnehmen muss, ohne etwas dagegen tun zu können.

Es empfiehlt sich daher, bereits bei Erhalt des Schreibens der Polizei einen Rechtsanwalt zu Rate zu ziehen.


    Ein Fachbeitrag aus dem DIRO-Netzwerk

    Beitrag veröffentlicht am
    22. Oktober 2024

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